Press


 

STARKE POLARITÄT ZWISCHEN AGGRESSIV UND LYRISCH

Die Schlehdorfer Künstlerin Rita de Muynck bewegt sich zwischen Schön und Animalisch _ Ihre Bilder entstehen ohne Kopfsteuerung.

(...) Die Kühe vom benachbarten Bauernhof stehen grasend auf der Weide. Ein schwarzweißes Kalb diente als Motiv für eines ihrer großformatigen expressiven Bilder, die immer beides sind, heftig und dennoch von innerer Substanz. Zu sehen sein wird das Bild mit dem Kalb in einer Ausstellung, die am Samstag, 8. Juni, in der Galerie am Eichholz in Murnau eröffnet wird. Motto La Belle et les Bêtes. In diesem Titel spiegelt sich, was die Malerin als charakteristisch für ihre Arbeit und ihre Lebenssicht bezeichnet: Polarität.

Im verschachtelten Bauch des alten Hauses, in einem großen, sehr hohen, fensterlosen Raum, stehen allerlei Sessel ungeordnet herum und an den Wänden hängen Bilder, die dem Betrachter zunächst den Atem nehmen: Die Wutkuh, mit ihren zornerfüllten Augen, längst vor der BSE-Krise entstanden, der sterbende Mann auf dem Waldboden, auf den der Wolf hinunterschaut, betitelt Requiem, eine Horde farbenblühender Hunde, in Form und Farbe Aggression pur. Es ist sehr nah am Animalischen, hatte Rita de Muynck der ersten Ausstellung dieser Bilder in München als eine Art Leitsatz mitgegeben. Es war jedoch damals nicht nur eine verstörende Bilderschau gewesen, in der zwischen Malerei und Trancezuständen eine Brücke geschlagen wurde, sondern bereits eine Installation unter dem Titel KlangNetze, in der auch noch Musik und Wort hinzukamen. Die CD dazu, eine vielschichtig ineinander greifende akustische Struktur aus einem Wechsel von aggressiv hämmernden und lyrischen Elementen, wird an einem Abend in Murnau zu hören sein. Inzwischen komponiert Rita de Muynck die Musik für Trance-Sitzungen, die der Malerei vorausgehen, selbst.

Die Bilder entstehen im Atelier, einem großen Raum mit vielen Fenstern auf der Rückseite der Fabrik. Direkt dahinter steigt steil der Berg an. Auf einem freien Fleck zwischen den gestapelten Bildern reckt sich eine im Werden begriffene Skulptur. Eine Frauenfigur aus Drahtgitter. Ein Wolf, schon mit Gipsbinden umwickelt, richtet sich vor ihr auf und hechelt ihr seinen Atem ins Gesicht. Da ist es also wieder, das Tier, nun in der Abwandlung Frau und Wolf, ein Urthema, mit dem sich die Künstlerin im Augenblick heftig herumschlägt. Es kommt in meinen neuen Bildern fast immer darauf hinaus, sagt Rita de Muynck, die Große Mutter gebiert den Wolf. Er bricht aus ihrem Leib heraus, ist aber Teil von ihr. Es ist beides in uns, die Große Mutter und der Wolf, das Animalische. Manche Menschen haben allerdings Schwierigkeiten, diese Bilder anzusehen.

Die Wurzeln von de Muyncks Malweise liegen in der Zeit der Maler der Brücke und des Blauen Reiter: Die expressiv verfremdete, auch brutal zupackende Gegenständlichkeit einerseits und andererseits die glühenden Farben, in denen Licht und Dunkelheit sich untrennbar mischen. Diese Bilder werden ohne Kopfsteuerung geboren. Dass es so richtig für sie ist, wird Rita de Muynck auf einer anderen Ebene ihrer Arbeit deutlich: Mit einer kosmopolitisch zusammengesetzten Theatertruppe in Paris hält die gebürtige Flämin engen Kontakt, holt sie auch gelegentlich nach Oberbayern. Zur Zeit wächst ein Stück zum Rotkäppchen, eine archetypische Auseinandersetzung mit dem Grimmschen Märchen um die Große Mutter, das innere Kind und den Wolf.

Ingrid Zimmermann, Süddeutsche Zeitung, Mai 2002

 

AUS TRANCE WIRD BILD

Die Künstlerin Rita de Muynck malt mit Hilfe von Hypnose.

(...) Die Galerie FORUM NEUE KUNST lockt mit einer ungewöhnlichen Künstlerin: Rita de Muynck. Durch selbstinduzierte, gelenkte Trance kann sie innere Bilder ins Bewußtsein holen, die sie danach im Malprozeß künstlerisch umsetzt, steht da in der Ankündigung. Traumwesen heißt die Ausstellung, und es geht um Beziehungen, um Geborgenheit und um Nähe, so die Kunsthistorikerin Gabriele Schickel. Tiere und Kinder sowie Motive aus der Kindheit sind Verbildlichungen unverfälschter Emotionen. Aha.

Große Formate hängen da, mit wunderschön starken Farben. Der Stil ist expressiv. De Munyck arbeitet mit der Mischform Acryl und Öl. In jedem der 14 ausgestellten Bilder finden sich Motive von abstrakten Hunden, Bären und zwitterartigen Gesichtern, die in virtuellen Räumen schweben. Es gibt nichts Frustrierenderes, als tolle Bilder vor Augen zu haben, sie aber dann nicht hervorholen zu können, sagt de Muynck. So fing sie an, sich selbst in Trance zu versetzen, um dann im bewußten Zustand ihre inneren Bilder skizzieren zu können. Rita de Muynck ist seit 1991 Lehrbeauftragte für Trance und Malerei an der Universität München. Traumbegeisterte Studenten werden von ihr jeweils eineinhalb Stunden in Hypnose versetzt, um fünf Tage lang Bilder aus ihrem Unterbewußtsein zu holen. Daß Hypnose nichts mit Zauberei zu tun hat, sondern eher mit weltlichen Gefühlen, beschreibt eine Studentin, die anfangs glaubte, sie säße bloß einmal mehr in einer langweiligen Vorlesung .

So genießt der Betrachter diese merkwürdig schönen Traummotive und könnte sich diesmal sogar mit dem fernen Raunen der Wiesn anfreunden, denn warum zweifeln wir nicht, ob unser Denken und Handeln nicht eine andere Art von Träumen ist (Montaigne). Und vielleicht ist ja dann das Oktoberfest nichts anderes als eine riesige Performance

Clarissa Ruge, Süddeutsche Zeitung, Nr. 221, September 1996

Pages

item1