Presse


Gabriele Münter, Kandinsky, Baum bei Kochel, Blauer Reiter, Blaues Land  Montag, Oktober 9, 2023

Warum im Blauen Land die Moore wie modelliert wirken und Limone am Gardasee zitronengelb leuchtet

 

(...) Von einer ganz anderen Beschaffenheit ist das Licht im Blauen Land in Oberbayern: ein poetischer Name für eine verwunschen schöne Gegend, und so passend. Blaues Land. Die Gegend um Murnau, südlich von München, mit dem Staffel- und dem Riegsee wird bestimmt durch wechselnde Lichtstimmungen, wie sie die Maler des «Blauen Reiters» liebten und Künstlerinnen und Künstler bis heute suchen. Häufig wirken die Seen und Moore, die Wälder und Wiesen und die Alpenkette im Süden wie modelliert und mit weichem Blau getönt, besonders am Morgen, am Abend und vor allem im Herbst.

Der expressionistische Maler Franz Marc – Lieblingsfarbe Blau – gab der Gegend und der Künstlervereinigung Blauer Reiter die Namen.

Gegründet wurde die Vereinigung zwar in München, gearbeitet haben die Künstler jedoch im Blauen Land: Gabriele Münter und Wassily Kandinsky sowie Franz Marc hoben dort den deutschen Expressionismus aus der Taufe.

Bis heute lockt das Blaue Land Maler und Bildhauer an. Kunst und Natur gehen dort eine scheinbar natürliche Symbiose ein. Rita de Muynck ist eine von diesen Künstlerinnen. Ihre Skulptur «2 Riesen» ist Gabriele Münter und Wassily Kandinsky gewidmet. «Ich arbeite in der expressiven Tradition mitten auf dem Land, wo Kandinsky und seine Schülerinnen ihren ersten Land-Malaufenthalt abhielten», sagt die gebürtige Flämin. «Es ist wahr, was Kandinsky meinte: dass das Licht hier für die Malerei sehr förderlich sei. Denn es hat starke, farbige Schlagschatten und ist sogar an trüben Tagen intensiv. Die expressive Malerei musste geradezu hier entstehen.» (...)

 

 

 

Jochen Müssig. Neue Züricher Zeitung, 09.10.2023

 
Montag, Oktober 9, 2023

  Sonntag, Juli 26, 2020

Bewusst unbewusst

 

Rita De Muynck ist in "Eins zu Eins". Der Talk zu hören

 

Schlehdorf - Das Sein und das Bewusstsein, das Unterbewusste und das Selbstbewusstsein - all das hat in Rita De Muyncks Arbeit immer schon eine Rolle gespielt.  Heute, da sie Künstlerin mit Atelier in Schlehdorf ist, genauso wie in den Siebzigerjahren, als die noch als Psychologin am Max-Planck-Institut für Psychiatrie und Neurobiologie in München beschäftigt war.  Zusammen mit ihrem Mann Rüdiger Ullrich hat de Muynck damals eine grundlegende Therapieform entwickelt, das Assertivenes--Training-Programm, kurz ATP.  Es sei um soziale Ängste gegangen, sagt sie, um Selbstwahrnehmung und ein stärkeres Selbstbewusstsein.  "Assertiveness" ist das englische Wort für Durchsetzungsvernögen.  ATP ist ein Selbstsicherheitstraining, über das seitdem viel geforscht und das weiterentwickelt wurde.

 

Zu diesem Thema ist  Rita De Muynck seinerzeit vom Bayerischen Rundfunk für die Sendung "Notizblock" befragt wroden.  Nun ist sie ein zweites Mal im Radio zu hören - diesmal als Künstlerin.  Für die Reihe "Eins zu Eins. Der Talk" in Bayern 2 hat Caro Matzko sie interviewt.  Das Gespräch verspricht "Erfahrungen und Einsichten, einschneidende Erlebnisse und große Erfolge" zu vermitteln.  Die Reihe drehe sich um "Menschen, die eine spannende Lebensgeschichte oder einen außergewöhnlichen Beruf haben", so der Sender. 

 

Als Künstlerin außergewöhnlich, da sie sich permanent neuen Herausforderungen stellt

 

Rita de Muynck erfüllt dies gleich in doppelter Hinsicht.  Sie übt bereits den zweiten spannenden Beruf mit Herzblut aus.  Und sie ist als Künstlerin außergewöhnlich, da sie sich permanent neuen Herausforderungen stellt.  In den vergangenen Jahren hat sie sich intensiv mit Synäshtesie beschäftigt, genau vor einem Jahr hat sie dazu in ihrer Schlehdorfer "Kunstfabrik" eine Ausstellung präsentiert. 

 

Synästhesie ist die Verknüpfung unterschiedlicher Sinneseindrücke.  Menschen mit dieser Gabe schmecken Farben, oder sie fühlen Klänge oder sehen Geräusche.  De Muynck hat daraus eine Kunstform gemacht.  Sie hört sich in einem tranceähnlichen Zustand völliger Entspannung Musik an, spürt und sieht und hört Farbe, Formen, Figuren.  Erst später, es können Tage oder Monate vergehen, bringt sie diese Impressionen auf die Leinwand.  Betrachter der Bilder fordert sie auf, sich auf die intensive Wahrnehmung einzulassen, sich zu setzen, sich in ein Bild zu vertiefen, es auf alle Sinne wirken zu lassen.  In "Eins zu Eins" wird sie gewiss auch dazu befragt. 

 

Wenn die Künstlerin von der Zeit erzählt, als sie mit ihrem Mann ATP entwickelt hat, sagt sie, es sei ihr damals darum gegangen, "wie die Menschen glücklicher werden".  Und sie lacht.  Das sei ja eigentlich heute noch ihr Ziel - nur jetzt auf dem Weg der Kunst. 

 

Felicitas Amler.  Süddeutsche Zeitung. Nr. 145, 26. Juni 2020.

 


  Samstag, November 2, 2019

Rahmen Sprengen - Rita de muynck

 

Wie klingt ein Bild? Die Idee von sich überlappenden Sinneswahrnehmungen, der Synästhesie, ist nicht neu. Die Künstler des Blauen Reiter experimentierten bereits vor über 100 Jahren mit der Vielschichtigkeit künstlerischer Rezeption. Im Kallmann-Museum stehen vor dem Bild »Q15« mehrere Reihen mit außerordentlich bequemen Sesseln, von denen man die ideale Perspektive auf die fast wandbreite Farbexplosion hat. Während man schaut und schaut, ohne Grenzen und auch ohne Schwimmweste, kann man via Audioguide Beethoven lauschen: Die akustische Ebene verschmilzt mit der optischen, und das sorgt für unerwartetes Glücksgeglitzer. Aus dem Bild spritzt und wogt die Farbe, dass es nur so schallt. In seifenblasenartigen Gebilden schwimmen Landschaften, aus einer unter- oder aufgehenden Sonne drängen Schmetterlingsflügel, violette Sternschnuppen fallen vom Himmel, alles ist in Bewegung, voll mit klingendem Licht. Möglicherweise entspringt dieser Rausch den goldenen Haarantennen  der Figur, die da im Wasser oder in den Wolken schwebt. Ist sie tot und auf dem Weg in eine  andere  Sphäre?  Oder  träumt  sie? Niemand kann es wissen. Offen bleibt auch die Überlegung, ob die Künstlerin spezielle Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt – denn den rundum stimmungsaufhellenden Effekt ihres Bildes würde man als Betrachter gern auch außerhalb des Museums kultivieren.

 

»Q15« ist das erste Bild, es folgen in der Ausstellung einige andere, die merkwürdige, faszinierende, manchmal auch abstoßende Szenen zeigen. In einem Moorsee, umgeben von einer wenig vertrauenerweckenden blau- grünen Vegetation, schwimmt ein Mensch, man weiß nicht, wieso. Nackte kleine, putzmuntere Kinder werden von einem Lichtstrahl aufgesogen, eine kleine rote Gestalt jedoch bleibt draußen, sie kauert in einer stimmgabelförmigen Wurzel. Auf einem anderen Bild marschieren Kinder in Schutzwesten in Zweierreihen in eine Art Tunnel. Ob sie wieder zurückfinden?

Manche dieser Bilder werden von Musikstücken begleitet, andere betrachtet man pur, ohne zusätzlichen Reiz. Die wilden Gemälde von Rita de Muynck entstehen nach Erlebnissen, die sie stark beschäftigen. Sie verarbeitet Traumelemente und Erfahrungen aus meditativen Zuständen. Gefühle und Bilder des Unbewussten, die zunächst formlos erscheinen, finden ihre Konkretisierung in gemalter Form.

Das Ergebnis sind urbildhafte Szenen, bevölkert von Archetypen. Der Ausdruck des Individuellen findet in ihrem Werk keinen Platz.

 

Bevor Rita de Muynck zur Kunst kam, war sie als Psychologin im Bereich Verhaltensforschung tätig. Die Ausstellung ist eingebunden in ein Forschungsprojekt, in dem sich de Muynck der Untersuchung einer veränderten Wahrnehmung von Kunst widmet. Ob ein Museum der richtige Ort dafür ist? Kein Museumsleiter wünscht sich die exklusive Minimalfrequenz seiner Ausstellungen. Die braucht es aber, damit die bildbetrachtende Versenkung funktioniert, jenseits von hustenden, raschelnden und plaudernden Mitbesuchern. || cp

 

Christiane Pfau. Münchner Feuilleton. Augenweide. S. 16, November 2019

 


  Montag, Oktober 28, 2019

Klang der Farben

 

Rita De Muyncks Bilder, die derzeit im Kallmann-Museum zu sehen sind, erweitern synästhetisch das Bewusstsein

 

Traumwelten

Besonders friedlich sieht "Le Ballet des C´s" nicht aus.  Das Gemälde mit seinen expressiv-dramatischen Hintergrund erinnert eher an einen Albtraum: Seltsame Wesen, halb Pferd halb Mensch, galoppieren heran.  Die Gesichter der schwer bewaffneten Krieger sind nicht zu erkennen, sie tragen Masken, bleiben anonym.  Doch irgendetwas stimmt mit ihren Beinen nicht, sie sind seltsam verdreht.  So ist bestenfalls ein Stolpern möglich.  das hat mit der Musik zu tun, die Rita De Muynck während des Malens hörte.  Erst Ravels "Klavierkonzert D-Dur für die linke Hand", geschrieben für den Pianisten Paul Wittgenstein, der im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte.  Dann legte sie die Beatles auf und ausgerechnet bei "Come Togehter" wurde aus dem gestreckten ein Schweinsgalopp. 

 

Synäshtesie

Die Werke, die im Kallmann-Museum zu sehen sind, hat De Muynck unter verschiedenen Bedingungen gemalt: manche Bilder haben ihren Ursprung tatsächlich in Träiumen, andere entstehen nach berührende Erlebnisse.  Eine dritte Gruppe, zu der das Ballet zählt, entwickelte sie unter gelenkten Synästhesien.  Die Verknüpfung mehrere Sinne, ein neurologisches Phänomen, ermöglicht es, Töne farbig zu hören oder Farben zu schmecken.  Die meisten Wissenschaftler nehmen an, dass die nur fünf bis acht Prozent der Bevölkerung angeboren ist.  De Muynck hällt Synästhesie aber nicht für eine Abweichung der Wahrnehmung, sondern für den von der Natur gedachten Normalzustand, der uns im Laufe der Evolution abhandengekommen ist.  Sie hat eine Methode entwickelt, bei der durch eine Art von Meditation das Bewusstsein so beeinflusst wird, dass Synästhesien auftreten.  

 

Die Forscherin

Die Ausstellung ist ein groß angelegter Versuch, zu erforschen, wie man die Bedingungen eines Museumsbesuchs so gestalten kann, dass andere Wahrnehmungsebenen angesprochen werden.  Und herauszufinden, ob die Besucher dies als Gewinn betrachten.  Die flämische Künstlerin, die in Gent Psychologie und Kommunikationswissenschaften studiert hat, ist auch Wissenschaftlerin.  Durch ein Forschungsstipendium kam sie ans Max-Planck-Institut für Psychiatrie und Neurobiologie in München.  Dort promovierte sie und arbeitete im Bereich der Verhaltensforschung, bevor sie begann Kunst zu studieren.  Seit 1995 arbeitet sie als freischaffende Künstlerin.  Als Museumsleiter Ramsus Kleine sie bat, einen Ansatz für eine andere Art der Kunstwahrnehmung zu entwickeln, sagte sie zu.

 

Intuitiv erfassen

Die bequemen Sitzgelegenheiten im Museum tragen dazu bei, die Wahrnehmung von Kunst zu verändern.  Entspannt auf einer Lederliege fällt es nicht schwer, sich mehr Zeit für die Bilder zu nehmen.  Der Audioguide, der De Muynck entwickelt hat, liefert kaum kognitive Informationen, sondern ermuntert unaufdringlich am Anfang des Rundgangs zum intuitiven Erfassen von Kunst, zum Lauschen, Spüren, Fühlen Innehalten.  Später wird nicht mehr gesprochen, zu hören ist die Musik, die der Bildgestaltung zugrunde liegt.  Wer mehr über das Kunstprojekt erfahren möchte: Rita De Muynck hält an diesem Donnerstag, 24. Oktober (19h) in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste einen Vortrag zum Thema: "Was uns Bewegt.  Ein Plädoyer für  das Emotionale in der Kunst.  Neuere Ergebnisse aus den Verhaltenwissenschaften und der Hirnforschung".

 

Sabine Reithmaier.  Süddeutsche Zeitung Nr. 246, Kultur,  Donnerstag, 24. Oktober 2019 

 

  Mittwoch, Mai 22, 2019

KLÄNGE SEHEN - BILDER HÖREN

 

Rita De Muynck malt synästhetisch und lädt Besucher dazu ein, Kunst tiefer wahrzunehmen als gewohnt

 

Sitzen. Hören. Sehen. Besser noch: Entspannen. Hinschauen. Zuhören. Wer sich im Atelier von Rita De Muynck darauf einlässt, kann eine Ahnung davon bekommen, was die Künstlerin Besuchern ihrer Ausstellung nahebringen möchte - eine tiefere Wahrnehmung von Kunst. Die gleichzeitige Aktivierung verschiedener Sinne, wissenschaftlich ausgedrückt und im besten Fall des Erlebens: Synästhesie. De Muynck experimentiert seit zwanzig Jahren mit diesem Phänomen. Sie hört sich in einem tranceähnlichen Zustand völliger Entspannung Musik an, spürt und sieht und hört Farben, Formen, Figuren. Erst später, es können Tage oder Monate vergehen, bringt sie diese Bilder auf die Leinwand. Drei davon hängen in der aktuellen Schau in De Muyncks Schlehdorfer "Kunstfabrik".

Besucher können sich auf Sesseln vor den Gemälden niederlassen, die Künstlerin schaltet genau jene Musik an, bei denen sie die Bilder gehört-gesehen hat, und tatsächlich wandelt sich die Wahrnehmung auch beim Schauenden: Hat sich das bedrohlich schlundartige, aber so grandios pink-rote Wesen in dem geheimnisvollen Wald nicht gerade im Takt der Musik bewegt? Leuchtet das Licht plötzlich stärker? Knistert es im Geäst, pulsiert etwas und gewinnt an Größe?

Nun gut, könnte man sagen, Assoziationen hat man ja oft, wenn man Musik hört. Energisches Nein der Künstlerin: Das Erleben von Synästhesie sei nicht identisch mit Assoziationen. "Es werden Bilder generiert, die für einen selber überraschend sind." Ganz oft denke sie angesichts ihrer synästhetischen Impressionen: "Ja, da schau her! Was haben wir denn da?" Assoziationen? De Muynck sagt: "Ich gehe tiefer." Und Wissenschaftlerin, die sie ist, kann sie's auch erklären.

 

Rita De Muynck hat vor ihrem Studium an der Kunstakademie als Psychologin am Max-Planck-Institut gearbeitet. Hirnforschung ist ihr vertraut. Sie nimmt ein Blatt Papier. Zeichnet ein Oval, über dem sich ein größeres wölbt, darüber noch ein größeren. Sie scribbelt, schraffiert und erklärt: Reptiliengehirn, limbisches System, Neocortex. Sie zeigt auf die mittlere Ebene: "Synästhesien entstehen im limbischen System, aber an der Grenze zum Neocortex." Auch Kunst komme ja aus den tieferen Schichten, sagt sie - und: "Empathie."

 

Klein, zierlich, agil, lachende Augen, klug, gewitzt und so voller Energie: Rita De Muynck ist die lebende Synthese von Herz und Hirn. Und sie arbeitet als Künstlerin in einem Spannungsfeld aus Intuition und Intellekt. Ihre Traumbilder, die sie mit frischen Eindrücken gleich nach dem Erwachen zeichnet oder malt, sind so unmöglich, wie Träume es eben sind. Über eines davon lacht sie jetzt noch; sie habe sogar den Titel dazu geträumt: "Ich, nass geworden." Auf einer Wäscheleine baumelt sie also - in Einzelteilen: ein Kopf, daneben ein Arm, ein wenig Busen und Po, alles sauber aufgehängt zum Trocknen. Sie ist Psychologin, verfügt über das Repertoire, um solche Träume zu deuten. Tut sie aber nicht. Sie schaut die Bilder an, "als ob ich in einem Terrain bin, wo es ganz interessant ist". Das zu "verwörtlichen" würde dem ganzen den Zauber nehmen. "Es kommt dann in eine Ecke im Gehirn, wo es anders ist, als wenn nur das Bild bildnerisch sprechen darf."

 

"Resist in beauty"

Was die Künstlerin selbst über ihre Bilder spricht, ist teils hochaktuell und politisch. Das grelle Gemälde eines tollwütigen Hundes habe sie am 8. November 2016 gemalt, sagt sie. Was war da gleich wieder? "Da ging die Welt zugrunde. Trump wurde gewählt." Unter dem tobenden Tier ragt eine Hand ins Bild, die offenbar versucht, die Bestie zu stoppen. "Ein Menschlein", sagt De Muynck und unterstreicht damit die Schwäche der gemalten Geste.

 

"Resist in Beauty" steht auf einem anderen Bild, das eine leidenschaftlich aufbegehrende Person zeigt. Widerstand, das sei ihr Thema, sagt De Muynck: Mit Kunst etwas zu tun - "gegen die Hässlichkeit, gegen die Schreckgespenster".

Umso wichtiger ist ihr ein Forschungsprojekt, das sie begleitend zur Vorbereitung ihrer Ausstellung im Ismaninger Kallmann-Museum mit dessen Leiter Rasmus Kleine und dem Wissenschaftshistoriker Andreas Kühne begonnen hat: Was sind Museumsbesucher für Menschen? Dank einem Riesenpool an Persönlichkeitsdaten aus Cambridge und Stanford, auf den sie Zugriff hat, kann sie so viel schon sagen: Wer gern oder sehr gern in Kunstmuseen geht, hat eine offene Weltsicht, ist tolerant, empathisch, altruistisch und selbstbestimmt. Starke Argumente, so findet De Muynck, für sehr viel mehr Kunstunterricht an Schulen. Entschiedener denn je sei sie der Meinung, dass Kunst "so richtig" gefördert werden müsse. Denn: "Kunst öffnet und erweitert das Hirn."

Kunstfabrik, Reuterbühler Straße 15, Schlehdorf, Samstag/Sonntag, 25./26. Mai, 11 bis 17 Uhr; mit Tonbeispielen jeweils um 14.30 und 16 Uhr

 

Felicitas Amler - Süddeutsche Zeitung , 22.5.2019


  Mittwoch, Februar 13, 2019

EIN HOCH AUF DIE KUNST

 

Verhaltensforscherin und Künstlerin Rita Marie De Muynck untersucht Einfluss von Museumsbesuchen auf Wohlbefinden

 

Murnau - Museumsbesucher sind die glücklicheren Menschen: Sie sind wagemutiger als Nicht-Museumsbesucher; haben eine höhere Widerstandkraft und sind lebensbejadender.  Dr. Rita Marie De Muynck, freie künstlerin und ehemalige Verhaltensforscherin am Max-Planck-Institut für Psychiatrie und Neurobiologie in München, hat in einem anschaulichen Vortrag vor rund 50 interessierten Zuhörern im Veranstaltungssaal des Murnauer Schloßmuseums wissenschaftlich signifikante Erkenntnisse dargelegt.  Diese zeigen, dass Kunst nicht nur etwa eine schöne Nebensache ist, sondern auch bedeutsamen Einfluss auf das Wohlbefinden hat.  

 

Die aus Belgien stammende Verhaltensforscherin arbeitet aktuell an einem großen Kunstprojekt in dem die Welten Wissenschaft und Kunst vereint sind.  Hierbei geht es um eine Studie mit einer Stichprobe von 6673 Personen, die Einstellungen und Wertvorstellungen von Personen betrachtet, die "gerne" bis "sehr gerne" Kunstmuseen besuchen, verglichen mit solchen, die das nicht tun.

 

Als Antwort auf die Frage von Museumsleiterin Dr. Sandra Uhrig, ob Museumsbesucher die glücklicheren Menschen seien, zeigte De Muynck eindeutige Verknüpfungen auf mit den Komponenten von Glück, wie sie aus der Forschung resultieren. "Glück ist von evolutionärer Bedeutung und kein Luxus.  Es hat eine zentrale Überlebensfunktion", sagte De Muynck.  Dabei hänge Glück davon ab, wie man auf das Leben reagiert und Dinge verändern kann.

 

Die in Schlehdorf und München wohnende Künstlerin erklärte, dass beim Lernen und Denken neue Synapsen entstehen.  Genau das Gleiche passiere auch bei wiederholter Kunstwahrnehmung.  Die Studie konnte Eigenschaften nachweisen, die zur Lebenszufriedenheit und Gesundheit beitragen, wie mehr Selbstwirksamkeit oder dem Gefühl, sich auch in schwierigen Situationen noch kompetent zu fühlen.  De Muynck zeigte auf, dass Museumsbesucher einerseits hoch emotional sind, dabei aber deutlich weniger verletzbar als Nichtmuseumsbesucher oder dass sie empatischer und hilfsbereiter sind sowie leichter verzeihen können, was "von enormer Wichtigkeit für innere Harmonie ist".  Viele Fragen vom Publikum schlossen sich an.  So auch, ob der Umfang von Kunstunterricht in Schulen demnach angemessen sei.

 

Birgit Schwarzenberger - Murnauer Tagblatt, 13. Februar, 2019.


Foto: Sabine Näher  Montag, August 27, 2018

Wie in einer ehemaligen Gardinenfabrik Kunst entsteht

Ein Besuch im Schlehdorfer Atelier von Rita De Muynck ist eine spannende Angelegenheit. Die belgische Künstlerin arbeitet an einem ungewöhnlichen Ort 

Schlehdorf – Der Besuch in Rita De Muyncks „Kunstfabrik Reuterbühl“ ist ein Abenteuer – in vielfacher Hinsicht. Zunächst einmal lässt man Schlehdorf hinter sich und fährt ins grüne Nichts hinein. „Manche Navis geben den Zielort falsch an. Wenn Sie mitten in den Wiesen stehen, müssen Sie einfach immer weiter fahren“, hatte die Hausherrin vorgewarnt. Erreicht man dann endlich die ehemalige Gardinenfabrik, wirkt sie abweisend wie eine Trutzburg.

 

Hier soll Kunst entstehen und beheimatet sein? Oh ja, stellt sich sogleich heraus, wenn man die erste Tür durchschritten hat. Und dann gibt es immer weitere Türen, manche gar mit der den Forscherdrang anstachelnden Aufschrift „Eintritt verboten!“, die zu neuen Entdeckungen einladen. Wie in einem verwunschenen Schloss. Doch die Schlossherrin ist äußerst irdisch, lebendig und sprüht vor Kreativität.

Die aus Belgien stammende Künstlerin, die seit 1979 in Schlehdorf lebt und arbeitet, hat ursprünglich Psychologie und Philosophie studiert. 1970 kam sie nach Deutschland und hat hier ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München absolviert.

 

Zum 25. Jubiläum des Murnauer Schloßmuseums hat der Förderkreis dieses mit einem Werk De Muyncks beschenkt: ein Hinterglasbild, das Gabriele Münter porträtiert. Mit wenigen Strichen hat sie den Kopf der Malerin, die die Haare nach ländlicher Sitte zum Dutt aufgedreht hat, charakteristisch getroffen und ihn vor einen knalligen orange-roten Hintergrund gesetzt. Die zahlreichen Käuferanfragen für ihr 2008 entstandenes Werk hatte De Muynck ignoriert, bis Dr. Sandra Uhrig, die Leiterin des Schloßmuseums, Interesse signalisierte.

Dort wusste die Künstlerin ihr Werk in bester Gesellschaft – und willigte ein. Mit Münter habe sie sich seit vielen Jahren intensiv beschäftigt, erzählt sie. Davon zeugen mehrere Arbeiten in den vielen Räumen ihres großen Hauses. Etwa die riesigen Baumstämme: „Die Bäume standen unweit des Münter-Hauses in der Murnauer Kottmüllerallee. Sie haben die Malerin also gesehen – und diese hat sie gesehen“, erzählt De Muynck. „Als wir erfuhren, dass sie gefällt worden waren, sind wir sofort losgefahren, um sie zu kaufen.“ So entstand das „Baumgedächtnis“ mit dem markanten Kopf Münters, der in drei Metern Höhe aus dem Stamm wächst.

 

Persönlich konnte De Muynck die Malerin nicht mehr kennenlernen, aber ihr Lehrer und Mentor, Professor Thomas Zacharias von der Münchner Kunstakademie, hat ihr von einem Besuch bei Münter in ihrem Murnauer Haus erzählt. Die hochbetagte Künstlerin habe vor einem Kandinsky-Bild räsoniert: „Schon schlimm, wenn man so verlassen wird – und weiß von nichts…“ Um dann gleich auf ein kleines Bild hinzuweisen: „Schauen Sie, jetzt arbeite ich gerade an dieser Tulpe!“

Das Blumenbild, es müsste eines der letzten von Gabriele Münter sein, ist übrigens nirgendwo aufgelistet und dürfte verschollen sein.

 

Für Rita De Muynck erzählt diese Begegnung viel über die Verfassung Münters. „Sie musste schwere Zeiten überstehen, hat sich aber einen unverletzlichen Kern bewahrt, aus dem sich die Kraft für ihre schöpferische Arbeit speiste.“ Und so wirkt die Malerin im „Baumgedächtnis“ auch sehr stark und geradezu unangreifbar.

Gegenüber hängt ein großformatiges Bild in schillernden Blau-Tönen: „Baum bei Kochel“. Aus dem Wasser ragt ein Kopf heraus, fragend, geheimnisvoll. Das „Requiem“ zeigt einen toten Menschen in einer Grube. An deren Rand steht ein großer schwarzer Hund und schaut hinab. Nicht jeder Betrachter wird damit die Deutung verbinden, die die Malerin angibt: „Er trauert – und kann sich nicht trennen.“ Für sie habe das etwas Tröstendes, sagt De Muynck, die das Bild nach dem Tod ihrer Mutter malte.

 

 

Sabine Näher.  Murnauer Tagblatt, 24.08.2018


  Montag, August 20, 2018

Zum Geburtstag ein Münter-Porträt

 

25 Jahre Schloßmuseum Murnau: Förderverein kauft Hinterglasbild der Künstlerin Rita de Muynck

 

Murnau - Sein 25-jahrige Bestehen hat das Schloßmuseum mit der ganzen Marktgemeinde mit einem buten Fest gefeiert.  Zuvor aber wurde das Museum selbst beschenkt - und zwar von seinem Förderkreis.  Dieser hat ein Hinterglasbild der in Schlehdorf lebenden und wirkenden Küntslerin Rita de Muynck, das Gabriele Münter portraätiert gekauft.  Nit einigen Strichen fast ein wenig abstrahierend, hat sie den Kopf der Malerin charakteristisch getroffen und ihn vor einen knalligen orange-roten Hintergrund gesetzt.

 

Der Förderverein hat sich ein Jahr nach dem Museum also 1994 gegründet.  Sein Ziel: "Den Markt Murnau in seiner kulturellen Verantwortung zu unterstützen, den Bürgern Zugang zu Werken der hier lebenden Künstler zu ermöglichen".  Seither haben die mittlerweile mehr als 800 Mitlgieder dafür über 540.000 Euro aufgebracht, wie der Vereinsvorsitzende,  Dr. Michael Rapp, mit Stolz vermelden kann.

 

Das neue Münter-Porträt hat nun einen Ehrenplatz in der Hinterglas-Abteilung des Museums gefunden und kann sich vor einer schwarzen Wand bestens entfalten.  Dass damit eine weitere Verbindung zum oben im Haus un tergebrachten Bereich, der sich mÜnter und den Malern des "Blauen Reiter" widmet, hergestellt ist, freut Museumsleiterin Dr. Sandra Uhrig ganz besonders.  De Muynck hatte zahlreiche Käuferanfragen für ihr 2008 entstandenes Werk erhalten, die Interessenten aber immer wieder vertröstet.  Bis Sandra Uhrig vergangenen Herbst das Schlehdorfer Atelier besichtigte und sofort wild entschlossen war, diese originelle Münter-Porträt für das Schlo0museum zu erwerben.  De Muynck empfand dieses als angemessene neue Heimat für ihr Werk, das ihr sehr am Herzen liegt, und willigte ein.

 

Mit Gabriele münter habe sie sich seit vielen jahren intensiv beshcäftigt, erzählt die Künstlerin.  "Sie hat mir immer schon imponiert mit dieser Kühnheit, diesem unverletzlichen inneren Kern, den man in ihr spürt, aller Schicksalsschläge zum Trotz."  Den Förerkreis stellt Uhrig dann quasi vor vollendete Tatsachen, indem sie erklärte, dieses Bild mache sich im Museum außerordentlich gut.

 

Mit dieser "charmanten Impertinenz", sagte Rapp, gelinge es ihr eben immer wieder, neue Schätze für das Museum zu gewinnen.  Nun stehen Letierin und Malerin bei zufrieden vor dem neuen Standort des ins Auge fallenden Porträts.  "Ich finde, sie schaut nach innen - und nach außen zugleich", lautet de Muyncks treffende Beschreibung.

 

Sabine Näher - Mürnauer Tageblatt, 31. 07. 2018


  Donnerstag, März 22, 2018

Kunst als Experimentierfeld

 

Die Schlehdorfer Künstlerin Rita de Muynck und der Holzbildhauer Thomas Breitenfeld zeigen ihre Werke in der Ausstellungsreihe "nah - fern" im historischen Bahnhof Starnberg

 

Rotbrüstchen hat den Wolf gefressen und die feinen Herren, die gerade die Welt zerstört haben, schauen ratlos aus ihren Gasmasken. Überall Krokodilsmäuler und nichts als Gemetzel. Riesenhafte Holzwürmer wachsen aus dem Fußboden. Wo bitte saß und schlief hier das titelgebende Häschen? Ist es etwa auch von Monstermündern und Fabelfratzen verschlungen worden? Mit "sass und schlief ... " ist jedenfalls die Ausstellung von Rita de Muynck und Thomas Breitenfeld überschrieben, die das sechste Jahr der Reihe "nah - fern" in der ehemaligen Schalterhalle des historischen Bahnhofs in Starnberg eröffnet. Die Malerin Rita de Muynck und der Bildhauer Thomas Breitenfeld haben beide die Kunst zum Experimentierfeld gemacht - aber es ist mit Sicherheit kein gemeinsames Experimentierfeld, ganz im Gegenteil.

Die Belgierin Rita de Muynck lebt seit 1970 in München und seit einigen Jahren auch in Schlehdorf. Nach einem Studium der Psychologie, das sie mit der Promotion abschloss, und Jahren in der Forschung am Max-Planck-Institut für Psychiatrie absolvierte sie noch ein Magisterstudium der Freien Malerei und der Kunstgeschichte. Als Künstlerin verschafft sie sich mittels selbstinduzierter Hypnose Zugang zu ihrem Unterbewusstsein. "Das Leid geht durch uns Künstler hindurch", sagt sie über ihre Vorgehensweise.

 

Ihre in Trancezuständen entstandenen starkfarbigen und expressiven Gemälde wirken auf den ersten Blick so fröhlichbunt und lebensbejahend wie die Künstlerin selbst. Erst bei genauerer Betrachtung offenbaren sie Abgründe: Es sind Tiere und Menschen und Zwischenwesen, die sich umzüngeln und umschlingen, sich niederkämpfen und verschlingen, die dann einander gebären oder ausspeien. Überzeichnung bei gleichzeitiger Vereinfachung, Primärfarben, heftig schwarze Konturen und flächenhafte Darstellungen dienen als Gestaltungsmittel. Das so entstandene post-apokalyptische Szenario mit den erschöpften Gasmaskenträgern, die nichts mehr zu zerstören haben, trägt den lapidaren Titel "Ach, ja".

 

Aber De Muynck beherrscht nicht nur die große Geste, das große Chaos und das große Format, auch ihre kleinen "Tag- und Nachtzeichnungen" haben es in sich. Sie entstehen mit spitzer Feder, meist morgens nach dem Aufstehen, an der Schnittstellen zwischen Innen und Außen. Sie sind ebenso Rückblick auf Traumerlebnisse wie Ausblick auf den kommenden Tag: Ein zuweilen winziges Ich strauchelt in ausweglosen Situationen, sitzt als gelbes Hündchen unter dem Tisch zwischen allmächtigen Männerbeinen, erträgt stumm Strafpredigten, stürzt flügelschlagend vom Himmel oder ertrinkt im Vollwaschgang der Waschmaschine.(...)

 

Ausstellung "sass und schlief ...", bis 25. März, freitags 16 bis 18 Uhr, samstags und sonntags 14 bis 18 Uhr, ehemalige Schalterhalle im Bahnhof am See in Starnberg

 

Katja Sebald, SÜddeutsche Zeitung, 12. März 2018


, DE MUYNCK_ Ach Ja. Acryl auf Leinwand, 260 c 220 cm, 2014. Foto Harry Wolfsbauer  Montag, Mai 22, 2017

SCHLOSSHERRIN MIT BAUMGEDÄCHTNIS

Die aus Belgien stammende Künstlerin Rita De Muynck lebt und arbeitet seit 1979 in Schlehdorf. Bei den Murnauer Ateliertagen öffnet sie ihre "Kunstfabrik Reuterbühl" - und zeigt beeindruckende Bilder zum Krieg

 

Der Besuch in Rita De Muyncks "Kunstfabrik Reuterbühl" ist ein Abenteuer. Zunächst einmal lässt man Schlehdorf hinter sich und fährt ins grüne Nichts hinein. "Manche Navis geben den Zielort falsch an. Wenn Sie mitten in den Wiesen stehen, müssen Sie einfach immer weiter fahren", hatte die Hausherrin vorgewarnt. Erreicht man dann endlich die ehemalige Gardinenfabrik, wirkt sie abweisend wie eine Trutzburg. Hier soll Kunst entstehen und beheimatet sein? Oh ja, stellt sich sogleich heraus, wenn man die erste Tür durchschritten hat. Und dann gibt es immer weitere Türen die zu neuen Entdeckungen einladen - manche gar mit der den Forscherdrang anstachelnden Aufschrift "Eintritt verboten!". Wie in einem verwunschenen Schloss.

 

Doch die Schlossherrin ist äußerst irdisch, lebendig und sprüht vor Kreativität. Die aus Belgien stammende Künstlerin, die seit 1979 in Schlehdorf lebt und arbeitet, hat ursprünglich Psychologie und Philosophie studiert. 1970 kam sie nach Deutschland und hat hier ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München absolviert. Am vergangenen Wochenende hatte sie im Rahmen der Murnauer Ateliertage in die "Kunstfabrik Reuterbühl" geladen, um ihre neuesten Werke zu präsentieren, die einen Dialog mit dem amerikanischen Künstler Marcus Jansen eingehen. "Es war einmal ein Krieg..." ist diese Bilderschau betitelt. Beiden Malern geht es darum, die Spuren von Krieg und Gewalt schonungslos darzustellen. Marcus Jansen aus Fort Myers (Florida), der zum "Urban Expressionism" gerechnet wird, hat selbst als GI am zweiten Irakkrieg teilgenommen. Seine meist großflächige expressive Malerei ist derzeit auf einer Europatournee in namhaften Museen. In Schlehdorf sind sieben seiner Werke zu sehen. Etwa eine große grüne Landschaft, in der überdimensional riesige Fliegenpilze aufragen, Reste einer Bahnlinie, einzelne Autoreifen und verloren umher irrende Menschen auszumachen sind - ein Bild totaler Trostlosigkeit. Oder ein kleines Mädchen mit Zöpfen und einer Gasmaske in einem zerstörten Raum, das erschütternde Verlassenheit ausstrahlt.

 

Daneben zwei Bilder De Muyncks: Ein großformatiges von Soldaten mit Helm und Gasmaske, einer auf einem Pferd, in gelb-orange-roten Feuerfarben, wie moderne apokalyptische Reiter. Ein ganz kleines Bild zeigt einen Soldaten mit Nachtsichtgerät, bedrohlich und schwarz, der ein weißes Schaf im Arm hält. Als Retter oder Mörder? Diese Dialogausstellung bezieht Position, lässt keinen Betrachter unberührt und regt zum Nachdenken und Nachfühlen an.

 

Doch wie gesagt: Es gibt viele Räume in diesem großen Haus. Und entsprechend viel Kunst zu entdecken. Gut, wenn Rita De Muynck auf Besonderheiten aufmerksam macht wie die riesigen Baumstämme: "Die Bäume standen unweit des Münter-Hauses in Murnau. Sie haben die Malerin also gesehen - und diese hat sie gesehen. Als wir erfuhren, dass sie gefällt worden waren, sind wir sofort losgefahren, um sie zu kaufen." So entstand das "Baumgedächtnis" mit dem markanten Kopf Gabriele Münters, der in drei Metern Höhe aus dem Stamm wächst. Gegenüber ein großformatiges Bild in schillernden Blau-Tönen: "Baum bei Kochel". Aus dem Wasser ragt ein Kopf heraus, fragend, geheimnisvoll. Das "Requiem" zeigt einen toten Menschen in einer Grube. An deren Rand steht ein großer schwarzer Hund und schaut hinab. Nicht jeder Betrachter wird damit die Deutung verbinden, die die Malerin angibt: "Er trauert - und kann sich nicht trennen." Für sie habe das etwas Tröstendes, meint De Muynck, die das Bild nach dem Tod ihrer Mutter malte. Vielen Deutungen offen ist auch das Bild, das eine Reihe kleiner Schulmädchen mit leuchtenden Warnwesten zeigt, die von einem ominösen Strudel aufgesogen werden. Erste Assoziation: Bedrohung! Doch De Muynck gibt zu bedenken: "Vielleicht werden sie errettet von diesem Warnjacken-Dasein und dürfen dort, wo sie jetzt hinkommen, wirklich Kind sein?" Dieses Bild habe sie übrigens in Selbsthypnose geschaffen, erzählt die studierte Psychologin. Und dabei Beethovens viertes Klavierkonzert gehört. Vielleicht ist er ja der kleine rote Mann, der unten am Bildrand in einer Baumgabel sitzt.

 

 

Sabine Näher. Süddeutsche Zeitung, 22. Mai, 2017

DE MUYNCK, Up Up & Away. Acryl auf Leinwand, 240 x 300 cm, 2015  Dienstag, April 4, 2017

SCHRECKEN UND GEFAHREN DER MENSCHLICHEN EXISTENZ

Bis 23. April im Kallmann-Museum Ismaning: Die Ausstellung "Ecce Creatura" zeigt vier Maler

 

...die Belgische Künstlerin Rita de Muynck stellt den Menschen in unheimliche, apokalyptische Umgebungen als Heimgesuchten und geschundenen Kreatur in denen sogar Pferde Gasmasken tragen müssen.  Ihre starkfarbigen, expressiven und primitiv-spröde wirkenden Gemälde und Zeichnungen, deren Figuren oft etwas Archetypisches anhaftet, sehen aus wie gemalte Alpträume, in denen Obsessionen und Unbewusstes schreiend aufscheinen. ...

 

 

Karl Prestele. und. Münchner Kunstjournal. April, Mai, Juni, Juli 2017

  Montag, Oktober 31, 2016

Schicht um Schicht ins Unterbewusstsein

Rita De Muynck ist promovierte Psychologin und Malerin mit einem Gespür für das Verborgene. Im Augsburger Diözesanmuseum ist gerade ihre Ausstellung "Sehnsucht nach Erlösung" zu sehen

 

Ruhig ist es hier und sehr grün. Hemmungslos versucht die Natur, sich die ehemalige Zementmühle in der Nähe von Schlehdorf wieder einzuverleiben. Eine bemooste Steintreppe führt um das Gebäude herum hinauf zu einer Terrasse. Dort steht eine zierliche, rothaarige Frau und winkt: Rita De Muynck, die seit 1979 hier wohnt und mitten in den Vorbereitungen für ihre große Einzelausstellung im Augsburger Diözesanmuseum steckt.

Das viergeschossige Gebäude mit Gängen, Treppen und verwirrend vielen Räumen passt gut zu ihr. Nicht nur weil ihr Weg zur Kunst alles andere als geradlinig verlief. Die labyrinthischen Wege, die sich durch das Haus ziehen, passen auch gut zu ihrer unablässigen Auseinandersetzung mit Innen- und Außenwelten, die in großflächige farbexpressive Malerei mündet.

 

Das Ausloten von Untiefen - darauf versteht sich Rita De Muynck gut. Das hängt auch mit ihrem früheren Beruf zusammen. Die gebürtige Belgierin studierte in ihrer Heimatstadt Gent Psychologie und Kommunikationswissenschaften. Ein Forschungsstipendium brachte sie ans Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, wo sie promovierte. Ein ideales Sprungbrett für eine Forscherkarriere in Amerika, sagt sie und schenkt Tee ein. Sie sprang nicht, blieb, forschte, unterrichtete und merkte mit 35 Jahren, dass ihr etwas abging. "Ich konnte viel geben, empfing aber keine neuen Impulse mehr." Dafür spürte sie, wie eine alte Sehnsucht in ihr erwachte: Selbst kreativ tätig zu sein, nicht mehr nur passiv andere zu beobachten.

Als sie mit ihrem Mann in die Fabrik zog, malte sie bereits. Aber nur nebenbei. Amüsiert weist sie auf "Van Eyck auf den Seychellen" (1982). Das kleine hyperrealistische Ölgemälde, das einen Mann mit Muschel zeigt, zeugt von ihrer Begeisterung für die alten flämischen Meister. Aber da gab es auch noch zwei Verwandte, mit denen sie zehn Jahre die Sommer in der Toskana verbrachte: Schwager Robert Gernhardt, seines Zeichens Maler, Zeichner, Dichter, und seine Frau, die Malerin Almut Ullrich - "die haben mir sehr viel gezeigt."

Aber Hobbymalerei genügte ihr nicht. 1990 kündigte sie und begann an der Uni Kunstwissenschaft zu studieren. "Der Seitenwechsel war happig", sagt sie und steht auf, um ins Atelier zu gehen. "Aber es war unbedingt erforderlich für mich, endlich selbst Subjekt zu sein." Seit 1995 arbeitet sie als freie Künstlerin.

 

Im Atelier begeistern erst das fantastische Licht und der weite Blick. An der Wand lehnt "Stürzen, Steigen, Schweben". Zwei Menschen fallen durch das All, über ihnen glänzt die Milchstraße. Rita De Muynck stellt das Bild auf den Kopf. Jetzt schwebt der Mann, die Frau steigt auf. "Ist eine richtige Erlösung", sagt sie. Daneben spült die "Große Welle" Figuren über scharfzackige Berge. Eine urbildhafte Szenerie in kräftigen Farben, die unvermittelt die Assoziation zum Flüchtlingsstrom auslöst. Die Künstlerin nickt zufrieden. Das sei die Intention gewesen, sagt sie.

Viele ihrer Motive entdeckt sie in Trancezuständen, nutzt ihre berufliche Erfahrung als Hypnosetherapeutin. Trancen eigneten sich gut, um ältere Wahrnehmungsschichten zu aktivieren und allgemeingültige Bilder zu entdecken, sagt sie, greift zu einem Zettel, um die verschiedenen Hirnschichten mit dem Zeichenstift zu erläutern. Skizziert erst das kleine Reptiliengehirn, dann das limbische System, darüber das alles überwölbende Großhirn, den Chef-Kontrolleur, der alles einordnet und den Zugang zu den unteren Bereichen verwehrt. "Die Türen sind zu, aber durch Trance lassen sie sich öffnen." Tatsächlich bevölkern Archetypen ihre Bilder. Natur, Menschen, Tiere, Pflanzen - manchmal stehen sie in starken Farben und Konturen unvermittelt nebeneinander, ein anderes Mal sind sie eng verwoben. Wirklich hinreißend sind die oft wunderbar skurrilen Tag- und Nachtzeichnungen, die sie mit Tusche und Rohrfeder fertigt. Abstürzende Engel, fliegende Fatschenkindl, schreckliche Balanceakte über Krokodilmäulern, schwarze, alles verschlingende Strudel - "ich banne so meine Träume."

 

Raus aus dem Atelier, eine steile Treppe abwärts. Dann eine Tür, die in einen Seminarraum führt, vorbei an Plastikschüsseln, die Wassertropfen von der Decke sammeln. In die Ecke geschoben die "Zerfetzung" (2003), eine Skulptur aus der Rotkäppchen-Serie. Wölfe finden sich in vielen Bildern De Muyncks wieder, als Gefährte des Menschen, auch als Rächer. Wieder öffnet sich eine Tür. Eine riesige Halle. Hier hängt "Das Requiem", eines der Lieblingsbilder De Muyncks, das sie nach dem Tod ihrer Mutter malte. Ein Wolf beschnüffelt eine leblose Gestalt, die in einer Grube liegt. Der erste Eindruck ist dunkel, düster, bis die schwerelose Transparenz der Figur zu wirken beginnt. Nicht weit entfernt steht die Skulptur "Attemptation". Attackiert der zerrupfte Wolf das armlose Rotkäppchen oder verführt er sie. Oder sie ihn? Suche oder Heimsuchung - Ambivalenzen, wohin man schaut.

 

Wieder eine Treppe, noch ein Stockwerk tiefer. Ein dunkler Gang, es gluckert leise, eine Pfütze. Unerwartet steht man vor "Schlehdorf". Keine oberbayerische Idylle, aber eine lebensfrohe Welt. In der Mitte Kind und Kuh, aber auch jede Menge anderes Getier. Manches muss man in den Farbfeldern erst entdecken.

 

Dann wieder ein weiterer großer Ausstellungssaal. Der Blick fällt auf Gabriele Münter, deren Gesicht monumental in drei Metern Höhe aus einem Lindenstamm herauswächst. Die Bäume, um 1870 gepflanzt, säumten die Straße, die zum Murnauer Münterhaus führt. Vor einigen Jahren wurden sie gefällt. De Muynck rettete Teile der Stämme, immerhin Augenzeugen der Spaziergänge Münters und Kandinskys, und legte 2008 ihr "Holzgedächtnis" frei.

Dominiert wird der Raum vom "Himmel der Kühe", einem Triptychon, das eines ihrer zentralen Themen behandelt: Der Umgang des Menschen mit der Kreatur. Die Gemälde entstanden als Reaktion auf die Nachrichten über Massentötungen oder Tiertransporte. Die rotkopfige "Wutkuh" malte sie, als in der Nachbarschaft eine Mutterkuh Tag und Nacht nach ihrem abtransportierten Kalb schrie. Um den Tierbestand zu verringern, zahlte die EU in den Neunzigerjahren eine Tötungsprämie für Kälber. "Was machten die Bauern: Sie fingen an, Kälbchen zu produzieren." Der Himmel, in den die Kühe stürzend wirbeln, ist am unteren Bildrand, oben wartet die Hölle, das Leben auf Erden.

 

Wieder ein Gang. Eine große Stufe und man steht in auffallend behutsam renovierte Wohnräumen. Die kühle Ästhetik unterstreicht die expressive Kraft der zwei Gemälde, die wenig Hoffnung auf ein friedvolles Weiterleben machen. Personen mit Gasmasken zeigt das eine, apokalyptische Reiter das andere. Die Männer sind anscheinend auf dem Weg, eine Welt zu verlassen, die durch sie unbewohnbar geworden ist. Was bleibt, sind müde, leere Gesten. Und der Titel des Werks: "Ach ja".

 

Rita De Muynck, Sehnsucht nach Erlösung; Diözesanmuseum St. Afra, Korngasse 3 -5, Augsburg, bis 4. Dezember

 

Sabine Reithmaier. Süddeutsche Zeitung, 30. September 2016, Nr. 227, S. 38. Kultur


  Montag, Oktober 31, 2016

Ein Schrei nach Erlösung

Die berührende, expressive Malerei von Rita De Muynck im Diözesanmuseum

 

Rita Marie De Muynck ist Flämin, und das Bild ihrer Heimat hat die Malerin künstlerisch geprägt – auch die Liebe zu Kühen erfüllt sie in ihrer neuen Wahlheimat Bayern. Doch ihre Kühe stehen nicht friedlich auf der Weide. Ihre Kühe brüllen vor Wut und stemmen ihre Vorderläufe energisch in den Boden. Sie verdrehen sich verzweifelt, um ihr Kälbchen zu lecken, das sie doch nicht erreichen können. Und sie träumen vom Himmel der Kühe, der ihnen die Ruhe verschafft, die ihnen in der Massentierhaltung unserer Tage nicht vergönnt ist.

Das sind wahrlich keine harmonischen Momente, aber Ausdruck der Achtung vor der Würde der Tiere – und für ihre „Sehnsucht nach Erlösung“, wie die neue Ausstellung im Diözesanmuseum St. Afra heißt. De Muynck malt mit expressivem Ges- tus, sie wählt schreiende Farben und trägt sie kraftvoll auf die Leinwand auf. Das hat etwas vom Blauen Reiter, und tatsächlich lebt die Malerin am Kochelsee, wo die Künstlerbewegung vor 100 Jahren aufblühte. De Muyncks Palette ist ausgesprochen differenziert, gern verwendet sie emotionale Farben, die dem Gegenständlichen vertiefte Aussage verleihen. Diese Bilder bekennen sich zur (oft geschundenen) Kreatur und enthalten Reflexe auf menschengemachte, üble Zustände, sei es der Entzug der Kälbchen direkt nach der Geburt oder die massenhafte Keulung von Rindern, um die Seuche BSE auszurotten. Die Farben protestieren gegen eiskalte Verzweckung des Tieres. Selbst die rotfleischigen Rinderhälften am Haken im Schlachthaus künden von der Schönheit der Schöpfung. In Rosa, Orange, Purpur und Ocker leuchten die inneren Strukturen des Lebens.

 
 
Wie sehr sticht davon die zerstörerische Menschenwelt ab! Krieger mit Gasmasken torkeln erschöpft über das Schlachtfeld in einer Atmosphäre von Brand, Blut und Dämmerung. Natürlich vermag auch ein Oberst mit blank gezogenem Degen diesen Soldaten keinen Halt mehr zu geben. Krieg gegen die Natur führen auch die Männer in giftgelben Schutzmänteln in einer trostlosen Umgebung. Verheißt der Wirbel in Gelb und Violett über ihnen Auslöschung oder Erlösung? Wie eine apokalyptische Plage wirkt indes das düstere Menschenmeer, das in einem weiteren Bild am Horizont herüberschwappt. Ein Land voller spitziger Pyramiden liegt unter der finsteren Flut – keineswegs einladend, vielmehr deutlich abwehrend.

Rita De Muynck, die studierte Psychologin, hat zudem ein Faible fürs Innerliche. Aus einem mythischen Wald nähert sich ein Wolf in bedrohlich schwarzer Gestalt einem Menschenkind, das wehrlos auf dem Rücken liegt. Auch so lässt sich „Rotkäppchen“ erzählen. Wie leicht muten im Gegensatz dazu die schwebenden Kindlein aus Drahtgeflecht an, die sich aus ihrem Gewickeltsein im Aufsteigen lösen.

bis 4. Dezember, geöffnet Di. bis Sa. 10-17 Uhr, So. 12-18 Uhr; der Begleitband „Unter die Haut“ (Hirmer Verlag, 190 Seiten) kostet 29,90 Euro.

 
Alois Knoller. Augsburger Allgemeine, 8. Oktober 2016
 

Würdevoll in Pink und Purpur  Freitag, Oktober 9, 2015

Würdevoll in Pink und Purpur

 

Die Künstlerin Rita De Muynck lebt und arbeitet in einer ehemaligen Zementmühle in Schlehdorf. Am Wochenende stellt sie dort erstmals öffentlich aus. Das Motto ist Programm: "Alles Farbe!"

 
Die meisten von uns essen es ständig, mit Lust und in viel zu großen Mengen. Aber wir sehen es gar nicht gern, bevor es zubereitet auf dem Teller liegt: Rohes, aufklaffendes Fleisch, halbe Rinder, die an Schlachterhaken baumeln - da wenden wir den Blick lieber ab. Rita De Muynck hat eine ganz andere Sicht auf dieses Motiv: "Es erlaubt mir, viele Farbtöne von Rot zu malen." Und das hat sie getan, mit grandioser Wirkung. Das Gemälde der belgischen Künstlerin, die seit 1979 in Schlehdorf arbeitet, bietet eine imposante, harmonische Farbskala von Purpur bis Pink. Und erstaunlich: Der Blick wird gar nicht abgestoßen, vielmehr stark angezogen, nichts an diesem rohen Fleisch wirkt bestialisch, brutal. Wer sich einlässt, genau hinsieht, entdeckt auch, mit welcher Raffinesse die Malerin den aufgeklappten Fleischtrümmern Andeutungen von Kuhschädeln gegeben hat. Das Bild strahlt Würde aus. Jene Würde, die Rita De Muynck den Tieren zubilligt. Kühen besonders, ihnen fühle sie sich schon immer nah, sagt sie. Und diese hier, die geschlachteten, die seien doch "erlöst - nach all der Maloche".

 

"Würde" wäre auch eine passende Überschrift für ein Kunstwerk - eigentlich eine Kunstaktion von Rita De Muynck und ihrem Mann Rüdiger Ullrich. Als vor Jahren in Murnau mehr als hundert Jahre alte Linden auf dem Weg zum Münter-Haus gefällt wurden, bemühte sich das Ehepaar darum, sie zu bewahren: "Diese Linden haben die Leute gesehen, die darunter spazieren gingen: Gabriele Münter, Wassily Kandinsky und all die anderen Künstler", sagt De Muynck. Die Bäume waren bei einem Bauern gelandet, der sie zu Brennholz verarbeiten wollte; die Stämme hatte er bereits in jeweils ein Meter große Stücke zerlegt. Die Künstlerin und ihr Mann erwarben, was noch da war. Und heute steht in einem der 4,5 Meter hohen Räume der ehemaligen Zementfabrik in Schlehdorf, in der die Künstlerin arbeitet, ein eindrucksvolles, drei Meter hohes Bildhauer-Werk: ein Baumstamm, aus dem erhaben der Kopf Gabriele Münters erwächst. Dass an ihrer linken Wange schwarz ein Pilz durchschlägt, gebe dem Werk doch "eine eigene Aussage", findet De Muynck. Tatsächlich: Der schwarze Schatten lässt etwas von der depressiven Seite der Expressionistin ahnen. Sie habe "das Holzgedächtnis" der Linde freigelegt, so beschreibt De Muynck ihr Werk.

 

Oft macht sich die Künstlerin aber gar nicht so gezielt thematisch an die Arbeit. Farbe ist das Element, mit dem sie wirkt, und so heißt auch die Ausstellung, die am Wochenende eröffnet wird - die erste in der Schlehdorfer Kunstfabrik - "Alles Farbe!" Zwei ausschließlich abstrakt und ebenfalls enorm farbstark arbeitende Gäste sind mit dabei: Joanna Gleich, in Wien lebende Polin, und Gérard Stricher aus Frankreich.

Diese Fabrik jenseits des Ortsrands von Schlehdorf, ein wenig an den Hang gelehnt, war einst eine Zementmühle, in der Schiefer aus dem benachbarten Steinbruch verarbeitet wurde. Riesige Räume auf vier Etagen bieten dem Ehepaar De Muynck-Ullrich nicht nur eine Wohnung mit Weitsicht auf Kuhweiden, das Schlehdorfer Kloster und die Berge. Sie sind ideale Werkstatt-, Lager-, Feier- und Ausstellungsmöglichkeiten. Im üppig verwachsenen Garten erinnert ein Seerosenteich an Monetsche Impressionen, eine abgetretene Treppe führt zwischen wildem Farn und altem Mauerwerk hindurch ins Grün. Ein romantischer Ort.

 

Rita De Muynck, die ihr Alter nicht verraten mag, hat ursprünglich Psychologie und Philosophie studiert. Sie lebt seit 1970 in Deutschland und hat ein Zweitstudium an der Akademie der Bildenden Künste in München absolviert. Die Psychologin in ihr, die auch hypnotherapeutisch gearbeitet hat, ist aber vielfach zu spüren. So, wenn sie erzählt, dass sie sich zum Malen oft in selbstinduzierte Trance versetze. Oder wenn sie dem Besucher einen Einblick in die Fülle ihrer "Morgenzeichnungen" gibt. Das sind unmittelbar nach dem Aufstehen mit Tusche zu Papier gebrachte Traumeindrücke. Surreal, wie Träume es eben sind. Eine Figur, die von zwei wurmähnlichen Gebilden eingewickelt wird. Ein kafkaesker Kahlköpfiger im schwarzen Anzug, der schreibt und von einer grünen Woge überschwemmt wird; im Vordergrund gackerndes Publikum. Ein großer schwarzer Kopf, der separat da liegt unter einem rosafarbenen Streifen. Farbe ist in diesen Zeichnungen eher reduziert eingesetzt.

Ganz anders, wenn sich die Realität in de Muyncks Bildern austobt. Da wird es schrill. Kreischend pink, neongelb und violett etwa in einem großformatigen Gemälde, das hohl glotzende Männer in Gasmasken zeigt; einer auf einem ebenfalls mit Gasmaske geschützten Pferd reckt eine Lanze in den Himmel. Man assoziiert Krieg, Verwüstung, die Zerstörung der Welt. Und staunt über den Titel: "Ach, ja." Ein Bild aus einer Serie, die sich mit Männern befasst, sagt die Künstlerin. Ihr Mann wird konkreter: "Es zeigt die Überflüssigkeit unserer Sorte", sagt er lakonisch. "Die haben, nachdem alles untergegangen ist, keine Aufgabe mehr, jemanden umzubringen." Seine Frau zeigt sich ein wenig nachsichtiger mit den Männern, spricht von der "Hilflosigkeit" der Spezies und von leeren Gesten.

 

Die Lebensfreude scheint der Künstlerin dabei aber nicht verloren zu gehen. Im Gegenteil, sie lacht viel und strahlt eine ungeheure Lust an der Arbeit aus. Mit viel Farbe - vor allem Acryl - und mit großen Formaten bis zu fünf mal drei Meter aus bester, stabiler belgischer Leinwand. Die zierliche Person, selbst nur 1,60 Meter groß, sagt lachend: "Ich glaube, kleine Leute brauchen was Großes." Das, kann man sagen, gelingt ihr immer wieder.

 

"Alles Farbe!": Rita De Muynck, Joanna Gleich, Gérard Stricher; Kunstfabrik Schlehdorf, Reuterbühler Straße 15. Vernissage am Samstag 10. Oktober, 15 Uhr, Einführung Elmar Zorn, 17 Uhr Lesung Rüdiger Ullrich: "Die Musik der Farben"

Felicitas Amler. Süddeutsche Zeitung. Bad Tölz-Wolfratshausen, 9. Oktober 2015

  Mittwoch, April 22, 2015

Aviva-Berlin Buecher > Rita de Muynck - Under the Skin

 

Sprichwörtlich "unter die Haut" geht die erste Monographie zum Werk der flämischen Künstlerin Rita de Muynck, die den Betrachter_innen ein vielschichtiges Farb-, Formen- und Klangerlebnis bietet.

 

Vielfalt eines Lebenswerks

Den Betrachter_innen begegnen darin den farbintensiv gestalteten, sich jeder malerischen Tradition sperrenden Großleinwände de Muyncks, daneben aber auch Kleinformaten, wie etwa dem Zyklus der "Tag- und Nachtzeichnungen": Schwarze Linien auf weißem Grund dominieren, darüber hinaus ist höchstens ein Bruchteil des Blattes in einer expressiven Farbe grundiert. Fotos der von der Künstlerin so in Ausstellungen vorgeführten Plastiken und Installationen komplettieren den Band.

"Malerei behandelt kein Thema. Bilder sind ein visuelles Ereignis oder sie sind kleine Bilder", so der Kurator Thomas Zacharias in seinem im Buch enthaltenen Essay über die Arbeiten de Muyncks.  In ihnen begibt sich die Künstlerin auf die Suche nach synästhetischer Erfahrung, der sie sich durch action painting nähert: Wesentlich ist die dem Werk innewohnende Dynamik. Das Wesen wird in seiner Grundsituation, vielfach konfrontiert mit seinen Urängsten dargestellt, darüber hinaus häufen sich Darstellungen von Traumgebilden und Gegenwartsreflektionen.  Dabei geht es der Künstlerin nicht um einen gesellschaftskritischen Ansatz, sondern darum, einen Seinszustand einzufangen.  Rita de Muyncks Werk weist zwar expressionistische Tendenzen auf, ist aber letztlich durch den Individualismus und die Innenperspektive der in Belgien geborenen Künstlerin geprägt.  Sie arbeitet mit einer viel mehr als nur die Naturfarben umfassenden Farbpalette, wobei immer wieder scheinbar beliebig Flammendrot hervorsticht.

 

Über Schönheit und Schrecken

"Autobiographisch sind nicht so sehr die Begebenheiten, sondern eher meine gefühlsmäßigen Reaktionen darauf", so die Künstlerin in einem Gespräch mit der Herausgeberin.

Vielfach finden auf den Leinwänden Begegnungen zwischen Frauen und wilden Tieren statt, ohne die beiden Elemente in gleich ersichtlichen kausalen Zusammenhang zu stellen, wie bei "Les Belles et les Bêtes".  Mensch und Tier kommunizieren auf metaphysischer Ebene, im indirekten Dialog.  Eine Anspielung darauf, dass unweit des Ästhetischen auch immer das Schreckliche existiert und nur die Gegenwart des Einen zur Manifestierung des Anderen führt.  So malt die durch ihre augenscheinlich idyllische alpenländische Heimat geprägte de Muynck einen "Bleeding Mountain" und betitelt ein Düsternis vermittelndes Bild des Kochelsees "Down with the Alpine Glow!".  Die Betrachter_innen werden somit zu einer neuen Perspektivierung aufgefordert.  Die "Innocent Cat" erinnert im Erscheinungsbild starkt an die zuvor porträtierten Wölfte, was in jede(m/r) Leser-in eigene Fragestellungen in Gang setzt.

Insbesondere bei der Ausstellung ihrer Plastiken rückt die synästhetischen Erfahrung in den Vordergrund: So kombiniert de Muynck beispielsweise Farbe, Form und Ton, um anhand der "Rotkäppchen"-Vorlage die enge Beziehung zwischen "Verführung und Zerfetzung" darzulegen.

 

Akzent auf der weiblichen Perspektive

Der Künstlerin bleibt die weibliche Weltsicht zentraler Ausganspunkt: Den traditionell mit männlichen Protagonisten besetzten Mythen verhilft sie zu einem weiblichen Pendant, etwa durch die Darstellung eines weiblichen, gebannt vor der Wasserquelle knienden Narziss.  Sie versucht sich spielerisch in der matriarchalischen Uminterpretation des verankerten kulturellen Gedächtnisses.  De Muynck hinterfragt die Omnipräsenz des Männlichen in allen gesellschaftlichen Sphären und fordert in ihren Gemälden die Loslösung vom Patriarchat: Beispielsweise wenn sie eine entspannt in der Hängematte liegende Dame zeigt, deren männliches Pendant - Vater, Ehemann? - in einer Grube zu ihrer Rechten verscharrt liegt.  Die Säuglingsdarstellungen wiederum heben auf die Mutter als Bezugspunkt ab, gleichzeitig deren Bereitschaft, loszulassen und die Eigenständigkeit des Kindes zu akzeptieren: Das Gemälde "Unwrapped" stellt dem Wortlaut des Titel gemäß dar, wie das Kind "flügge" wird.

 

AVIVA-Tipp: Eindrucksvoll zeigt der Band das vielfältige Werk Rita de Muyncks wie auch den Facettenreichtum deren künstlerischen Ausdrucks.  Keine von Rita de Muynck behandelte Thematik, kein von ihr umgesetztes Experiment im Bereich Farbe, Form, Dynamik bleibt außer Acht.  Durch die Interviewauszüge und die kurzen Essays eignet sich das Buch auch für Laien auf dem Gebiet der modernen Kunst, denen sich ein Interpretationsansatz bietet, ohne sie in ihrer freien Ideenentwicklung zu behindern.

Teresa Lunz. Aviva-Berlin, 6. Februar 2015

Im Wald. Acryl auf Leinwand, 180 x 200 cm, 2011  Sonntag, September 21, 2014

Verwunschene Welt in grellen Farben

Was da im Wald geschah, werden wir nie erfahren. Wir würden auch nur ungern hingehen und nachschauen. Die beiden Vögel machen keinen Mut.  Sie liegen auf dem Rücken, ihr leuchtendes Gefieder scheint zu brennen, und sie strecken ihre Beine so steif von sich, wie man es sonst von Toten kennt. Rita de Muynck nennt ihr Bild „Im Wald“ und weiss, dass der Ort in Märchen oft verwunschen ist und in alten Sagen für die Akteure viele Prüfungen bereithält.

Die in Belgien geborene, seit langem in München  lebende Malerin hat zuerst als Psychologin und Philosophin am Max-Planck-Institut gearbeitet, bevor sie sich der Malerei zuwandte. Ihre Bilder leben von der Symbolik des Unbewussten und bieten eine Expressivität, wie man sie von den Neuen Wilden kennt. Ein reichhaltiger Band stellt das eigenwillige Werk erstmals vor.

Gerhard Mack, Neue Züricher Zeitung, 21. September, 2014

  Donnerstag, August 7, 2014

HINAB INS UNBEWUSSTE

Eine Doppelausstellung in Überlingen zeigt Werke der Künstlerin Rita de Muynck

Wenn sie morgens aufsteht, liegen schon Pinsel und Papier bereit und sie malt ein Bild, jeden Tag. „Taggezeichnet– Nachtgezeichnet“ werden diese Zeichnungen genannt und in ihnen drückt die flämische Künstlerin Rita de Muynck spontan ihre Träume aus, die sie jederzeit abrufen kann. De Muynck hat neben ihrer Kunst auch Psychologie studiert. Dieser Aspekt fließt in ihre Arbeit kreativ ein, denn sie kann sich auch im wachen Zustand in Trance versetzen und dabei gleichzeitig Formen und Farben sowie Musik wahrnehmen. Dementsprechend sind auch ihre Bilder. Eruptionen von Farben und gestische Schwünge des Pinsels, ähnlich den Expressionisten, die ähnlich wie sie Anfang des 20. Jahrhunderts zu den Ursprüngen der Welt zurück kehren wollten.

Der Kunsthandel Walz und die Städtische Galerie in Überlingen zeigen zeitgleich zwei Ausstellungen, die das Werk von der am Kochelsee bei München lebenden Künstlerin vorstellt. Während in der Galerie Walz auf den Mythos des Rotkapps, die archaische Erzählung des Rotkäppchen fokussiert wird, gibt die Städtische Galerie einen Überblick über das Kunstschaffen und konfrontiert die Werke mit alten Masken und prähistorischen Skulpturen des Mittelmeerraums, welche aus der eigenen Sammlung der Künstlerin stammen. Großformatige, farbenfrohe Ölbilder und kleinformatige Zeichnungen bestimmen das Oeuvre, beide jedoch oft surreal und rätselhaft.

In einem 200x240 cm großen Ölbild steht ein kleines Kind in einer Glasglocke in der unteren Ecke. Links und rechts sind senkrecht, den gesamten Bildraum füllend, glutrote Tore gemalt, die einen blauen Spalt offen lassen. In diesen dringt ein großer schwarzer Vogel, der bedrohlich über dem Kind schwebt, das wiederum zu ihm nach oben starrt. Wird das Kind angegriffen oder gerettet, wie es der Titel suggeriert? Beschützt die Glasglocke das Mädchen oder ist sowieso alles nur geträumt und die Künstlerin will nur andeuten, dass es etwas Bedrohliches gibt? Wir wissen es nicht und das Ganze bleibt rätselhaft, wie Vieles in den Bildern von Rita de Muynck.

Archaisches und Mystisches fasziniert die Künstlerin und ein wichtiges Motiv, das sich in ihren Bildern immer wieder findet ist das Märchen von Rotkäppchen der Großmutter und dem Wolf. Dabei ist es nicht die biedermeierliche Erzählung der Gebrüder Grimm, die Rita de Muynck in den Mittelpunkt stellt, sondern der alte Mythos aus der Frühgeschichte der Menschheit, der angeblich ein Initiationsritus ist. Dort wird der Mensch zerrissen und gefressen, bevor er wieder neu aufersteht. Die Schönen und die Biester, Gewalt und Liebe, pure Emotion, unverstellter Instinkt und nicht durch Sozialisation überdeckte, aufpolierte Verhaltensweisen will die Künstlerin zeigen. Die Beschäftigung mit dem, was über Tausende von Jahren in uns abgelegt ist, was das Hirn speichern und welche alten Erfahrungen, Bilder und Erinnerungen es wieder abrufen kann, darum geht es in ihren Werken.

Aber nicht nur, denn andere Werkreihen beschäftigen sich auch mit heutigen Themen, wie z.B. das Triptychon „Der Himmel der Kühe“, das in der Städtischen Galerie zu sehen ist. Die groß angelegten Massentötungen von Rindern angesichts der BSE Krise inspirierte sie zu diesen Bildern, auf denen in kräftigen Rot-, Gelb- und Grüntönen und mit vehementen Strich Kühe vom Himmel stürzen und ein Universum der geschundenen Kreatur sich dem Betrachter darbietet.

Neben der Malerei zeigt die städtische Ausstellung auch Skulpturen und Installationen, so z.B. einen aus Blech hergestellten Menschen, der zwei lange Hörrohre in den Händen hält. Aus diesen ertönen Zitate von Albert Einstein zu Fragen über die Menschheitsgeschichte und weitere Antworten von heutigen Philosophen, die sich Gedanken über die Zukunft der Welt machen. Aus einer weiteren Skulptur, die aus Stahl, Gips und Papiermaché gefertigt ist und aus vielen zusammengesetzten Fetzen, die bunt angemalt sind, besteht, ragen Köpfe, Füße, Beine und eine Mütze heraus. Chaos suggeriert die Skulptur und auch hier wie in vielen Bildern unterschwellige Gewalt.

Rita de Muyncks Werke fordern den ganzen Betrachter. Sie provozieren nicht nur durch ihre vehemente und wilde Malweise, sondern machen uns nachdenklich, bringen uns zum Staunen und Schmunzeln und konfrontieren uns mit unterbewussten, brach liegenden Fähigkeiten des Menschen, die von unserer gekünstelten, sozialisierten Welt längst überdeckt wurden. Sie gehen unter die Haut.

Ulrike Niederhöfer. Südkurier. Kultur, 07. August, 2014

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